So ist das mit der Heimat
Das Wort Heimat scheint sich einer festen Definition zu entziehen.
Ist es doch für jeden etwas anderes: ein Gefühl, ein Ort, ein Geruch oder doch etwas ganz anderes?
Ein Versuch, für mehr Klarheit zu sorgen.
Einst wohnte dem Begriff Heimat sprichwörtlich eine gar trockene Bedeutung inne. Bis ins 19. Jahrhundert wurde „heimōti“ nämlich nüchtern für „Wohnrecht mit Schlafstelle innerhalb eines Hauses“ verwendet: Emotionaler Schnickschnack sucht man hier vergeblich. Das Wort Heimat wurde ausschließlich im geografischen und juristischen Sinne verwendet. Jeder, der in Besitz eines sogenannten Heimatscheines war, durfte sich ungestört in seiner Gemeinde aufhalten.
Zudem hatte er Anspruch auf eine notdürftige Versorgung. Auch wenn heutige Nachschlagewerke (beispielsweise der Duden) jener Begrifflichkeit immer noch den räumlichen Stempel aufdrücken:
Heimat
Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt
… so ist Heimat doch etwas äußerst Subjektives.
Um sie zu finden, braucht es nicht zwangsläufig eine Landkarte.
Das hat auch unsere kleine Umfrage ergeben:
Was ist Heimat?
Filip (27):
Ich atme Heimat
Für den Norweger Filip ist Heimat nicht zwangsläufig ein Ort, sondern mehr das wohlige Gefühl, das sich im Körper ausbreitet: „Für mich ist Heimat ein Gefühl, das einströmt. Ich wohne zwar in Oslo, bin aber häufig in den Bergen rund um Beitostølen. Wenn ich auf den Langlaufskiern stehe und die klare Luft einatme, dann fühlt sich das nach Heimat an. Aber auch, wenn ich in Oslo an der Festung Akershus vorbeispaziere und die Meeresluft einatme, dann fühlt es sich ebenfalls nach Heimat an. Heimat liegt für mich also nicht nur an meinem fixen Wohnort in der Luft."
Jan (64):
Ich habe zwei davon
Auch wenn Heimat vorwiegend im Singular verwendet wird und damit suggeriert wird, dass jeder nur eine Heimat haben kann, hat Jan aus den Niederlanden zwei: „Meine erste Heimat ist das Land, in dem ich geboren wurde. Meine zweite, wo ich mich in meine Frau verliebt habe und seit mittlerweile 40 Jahren lebe. Ich bin sozusagen in Tirol heimisch geworden und habe mich mit Offenheit und Interesse in mein neues, soziales Umfeld eingegliedert.“
Es scheint, als wäre die erste Heimat ein Geschenk, um das man nicht gebeten hat, es aber gerne behält. Die zweite Heimat verlangt uns hingegen etwas Proaktives ab: Wir müssen um ihre Gunst werben, damit wir uns in der Ferne heimelig fühlen.
Paula (75):
Ich finde sie in den Gässchen
Heimat ist wie ein hübscher, bunter Flickenteppich, die ersten Reihen sind immer der Kindheit gewidmet: Aufgetrennt wird nix, zurückgedacht jedoch sehnsüchtig. Das sieht auch Paula so. Sie ist der Liebe wegen ins Tiroler Nachbardorf gezogen und erzählt: „Wenn ich mit meinen Schwestern durch die kleinen Gassen im Dorf, wo ich aufgewachsen bin, spaziere, dann kommen unweigerlich Kindheitserinnerungen auf. Es fühlt sich selbst nach 50 Jahren immer noch nach Heimat an. Das wird wohl immer so bleiben.“
Maria (43):
Ich lausche ihr
Die Spanierin liebt es, zu tanzen. Heimat ist für sie eine Melodie, zu der sie gerne tanzt. „Tanzen ist für mich Heimat. Besonders, wenn mich Heimweh nach Granada plagt, dann ist Tanzen meine Therapie. Es verbindet mich mit meiner Familie. Wenn ich Musik höre, dann bin ich meiner Heimat ganz nah.“
Klar ist nun hoffentlich:
Für das Konzept Heimat scheint kein Meldeamt dieser Welt zuständig zu sein.
Es ist
unser
Herz,
das unseren persönlichen Heimatschein ausstellt.
Ganz gleich, was in uns ein spontanes Heimatgefühl aufpoppen lässt, schön ist es allemal, dass wir es spüren. Oder nicht?